Wenn man heute vom Druidentum spricht, so erntet man meist einen wissenden Blick und einen Kommentar der Art „Odin, Met und Hörnerhelm“. Es sei an dieser Stelle höflich darauf hin gewiesen, dass die klassischen Druiden des Altertums unter diesem Namen in ihrer überwiegenden Mehrheit in den protokeltischen und keltischen Stammesgebieten, von Präindien über den vorhellenistischen Peloponnes, im präslavischen Balkan, in Mitteleuropa ab der Schwelle zur Metallzeit, bis Spanien und rauf bis England und Irland aktiv waren – und dass die Germanen und Norse erst später kamen und ihre geistige Elite sich NICHT Druiden nannten. Wer‘s nicht glaubt, der soll eben wieder mal den „de bello gallico“ vom ollen Cäsar lesen.
Das ist aber kein Grund traurig zu sein, denn in der Tat gibt es einige, äusserst interessante Zusammenhänge zwischen der keltischen und der germanisch-nordischen Mythologie. Diese beiden Ethnien haben sich nämlich, wie im Rahmen von Völkerwanderungen üblich, durchaus auch friedlich miteinander gemischt und gegenseitig Attribute ihres Glaubens, ihrer Philosophie und ihrer Götter- und Archetypensysteme voneinander übernommen. – Also finden wir eine ganze Menge der keltischen Kultur auch in den germanischen Überlieferungen:
Wie jeder bessere Asaträumer heute weiss, gibt es im germanischen Götterhimmel nicht nur die klassischen Götter die Asen, sondern auch die Wanen. Als die Asen erwachten und in das Reich der Wanen, der Naturgötter und Riesen, also der Elementargewalten vordrangen bekriegten sie diese zunächst. Doch die Repräsentanten der Natur sind schlicht nicht zu besiegen, auch wenn sie sich allesamt, ganz in bester Druidenmanier durch eine ausgesprochene Friedfertigkeit auszeichnen.
Kurz und gut, der neue nordische Glaube musste mit den keltischen Naturgottheiten Frieden schliessen. Wer will sich schon gegen die Harmonie der Natur stemmen? – Wie übel es den germanischen Göttern erging, als ihnen ein frecher Riese einst kurzfristig die grosse lebensspendende Naturgöttin Idun entführt hat, wissen wir ja alle….
Das funktionierte übrigens nicht nur bei den Norse und den Germanen so, sondern auch in Griechenland, wo Hera, die Gemahlin Zeus, die lebensspendenden goldenen Äpfel der ewigen Jugend verwahrt, Satyrn und Nymphen sich munter tummeln und der Winter hereinbricht, sobald Persephone, das Sinnbild der belebten Natur sich für ein halbes Jahr zu ihrem Gatten in die Unterwelt begibt.
Nein, bei Griechen, Germanen und Norse gab es keine Druiden. Aber es war durchaus angesehen, die alten „druidischen“ Naturgötter, also die Wanen hoch zu verehren. Es waren dies all jene Götter, die nach der Versöhnung der Asen mit den Wanen in, oder um Asgard herum ihr Domizil bezogen haben.
Wer also Druide und dennoch den Asen treu sein will, der solle sich also näher mit folgenden Damen und Herrschaften beschäftigen:
Wanen:
Schon mal genauer über die Wanen nachgedacht? Idun, Freya, Sif, Freyr, Njörd? Nein?
Na dann mal los: Ja, wana-sinnig und wahnsinnig haben den gleichen Ursprung. Im Gegensatz zu den Asen, verlassen sich die Wanen weniger auf ihren Verstand, als viel bewusster und geübter auf ihr Gefühl und das ihnen eigene Wesen – Das kann manchmal sehr „unvernünftig“ aber meist viel harmonischer sein, als bei den Asen. Die Wanen sehen das Leben wesentlich entspannter, als die Asen. Deshalb haben sie einerseits meist weniger Abenteuer, andererseits auch weniger Feinde. Es ist ja bekannt, dass viele der ganz grossen Druiden eine kürzere oder längere Zeit ihres Lebens „wahnsinnig im Wald“ verbracht haben.
Idun
Idun ist nicht nur die Hüterin der Äpfel des ewigen Lebens, sondern allen tierischen und pflanzlichen Lebens überhaupt. Man kann sie getrost als Lebensspenderin der Natur bezeichnen. Sie ist sicher nahe verwandt mit Mutter Erde, auch genannt Gaia, indem sie alles Leben als einen Teil des einen ganzen erkennt und nährt. Für die Fruchtbarkeit von Obstgärten, der Äcker, ja sogar die jugendliche Kraft der Menschen war sie auch für die Germanen sehr wichtig.
Freja
Der Erstkontakt der verstandeszentrierten (und doch oft emotionsgesteuerten) Asen mit Freja, verlief – nun sagen wir einmal nicht ganz glücklich. Als sie begriffen hatten, dass sie Freja, als die Personifizierung der weiblichen Liebe nicht überwinden konnten, mussten sie sie wohl in ihren Kreis aufnehmen. Jede germanische Frau und jedes Mädchen wusste, an wen sie sich in Liebesangelegenheiten und bei Liebeskummer wenden konnte. Freja selbst kennt ja die Glut der Liebe und den Liebeskummer nur allzu gut und kann deshalb weisen Rat und Trost fernab jedes rationalen Gedankens spenden. Die erotische Liebe fragt nicht nach Verstand oder Kalkül, sondern nach Geborgenheit und Erfüllung. Wie man sie in sich und anderen erwecken kann, weiss Freja.
Freyr
Der Herr der Wildtiere, insbesondere von Hirsch und Wildschwein zeichnet sich durch seine überschäumende Lebens und Liebselust aus. Er ist dem keltischen Herren des Waldes in sehr vielen Merkmalen sehr ähnlich. Männliche Zeugungskraft, Fruchtbarkeit und auch der befruchtende Regen sind seine Attribute. Er schätzt die Liebe höher als den Krieg und trennt sich deshalb für die personifizierte Verführung, in Form der Riesentochter Gerda, sogar von seinem Schwert. Man mag das auch Liebestollheit nennen, doch was fragt Freyr nach Krieg, wenn die wahre Erfüllung doch im Rausch aus Liebe und Sex zu finden ist. Mit asischem Verstand hat das nichts zu tun. Odin hat sich wohl an den Kopf gefasst, als Freyr sein Schwert verschenkte…
Sif
Sif als Gattin des rotbärtigen Bauern- und Handwerkerarchetypen Thor verkörpert unter anderem das Kornfeld selbst, welches angesät werden muss, sanft wäscht, um in der ganzen goldenen Pracht des Sommers geschnitten zu werden. Viele sehen in ihr auch eine Helferin für Schwangerschafts- und Fruchtbarkeitsangelegenheiten. Eigentlich eine schon fast auffällig bescheidene Göttin, doch nur ein Jahr ohne den Segen Sifs und man weiss sie sehr schnell wieder zu schätzen.
Njörd
Nach früheren, wilden Jugendjahren ist Njörd der mächtige Hüter über die Meere und ihre Geschöpfe – inklusive Möven übrigens. Seine Töchter waren bei den Norse und Germanen ebenso gefürchtet, wie bei den Griechen die Sirenen. Er selbst mag es geruhsam: Im Rhythmus von Ebbe und Flut spürt man seinen Atem und in den langsam heranrollenden Wellen seinen Puls. Viel Weisheit hat er im Laufe der Zeit angesammelt. Nicht nur das Wissen um das richtige Segelwetter, sondern auch um Geduld, friedliche Lösung schwieriger Konflikte und schliesslich der Selbstgenügsamkeit. Er birgt bis heute noch so manches Geheimnis in seinen Tiefen.
Nerthus
Sie wird nur selten genannt, doch ist sie die Erscheinungsform von Mutter Erde selbst. Bescheiden und unendlich liebevoll und weise empfängt sie aus ihrem Schoss alles Leben dieser Erde. Wie eine weise Mutter entlässt sie ihre Kinder am Morgen des Lebens zum Spielen, um sie am Lebensabend wieder liebend in ihre Arme zu nehmen. – Nein, vor ihr muss man definitiv keine Angst haben, denn sie liebt alle ihre Kinder. Bei den Griechen Gaia genannt, ist sie die eigentliche fruchtbare Urmutter. Verständlich, dass sie vor allem von Frauen verstanden, hoch verehrt und geschätzt wurde.
Skirnir
Wer einen Skirnir zum Freund hat, der ist wahrlich gesegnet! Die loyale und zuverlässige Freundschaft unter Männern, ohne Berechnung und Bedingung durch dick und dünn wird durch Skirnir ideal verkörpert. Als Bote Freyrs wagt er sich sogar nach Riesenheim um schliesslich erfolgreich Gerda für Freyr zu werben.
Fjölnir
Sohn des Freyr: Er brachte den Menschen als Ynglingerkönig das Wissen über den Feldbau. In etwa dem Baccus gelichzusetzen. Mit einem kleinen, aber entscheidenden Unterschied: Er nahm das Feiern und fröhliche Saufen so ernst, dass er der Sage nach bei einem Saufgelage in einem Fass Met ertrank.
Aber nicht nur die Wanen sind stark vom Naturglauben der Kelten geprägt. Beinahe alle der Asen haben von ihren geistigen Vorfahren einige sehr wanische Attribute geerbt:
Thor persönlich als der rotbärtige Gott von Donner und Blitz teilt einige Attribute mit Tarranis, dem keltischen Blitzgott. So steht er den Riesen, welchen er mit seinem Bumerang-Hammer effizient zu Kopfschmerzen verhilft näher, als so mancher weiss. Eigentlich ist auch er ein friedlicher Zeitgenosse, welcher am Anfang des Konfliktes mit den Riesen intensiv versuchte den Frieden zu vermitteln. Nur wenn man ihn betrügt, oder verhohnepiepelt, dann zeigt auch er, dass in ihm nicht nur das Blut der Asen, sondern auch eine gute Portion rohe Naturgewalt fliesst. Seine Frau Sif, die Hüterin der Kornfelder ist dann die einzige, die seinen Blitz ohne Schaden zu empfangen vermag. – Nicht umsonst sind die Felder am Fruchtbarsten, in die der Blitz eingeschlagen hat. Ja in der Schweiz gibt es für die Schwangerschaft sogar die durchaus respektvolle Ausdrucksweise „Oha, da hat es wohl eingeschlagen“…
Das alte Volk
Viele der alten keltischen und vorkeltischen Naturgötter sind zudem bis auf den heutigen Tag unabhängig von diesem „neumödigen Zeugs“ geblieben. Wers nicht glaubt, soll einmal im Alpenraum den Herrn Rübezahl, auf dem Pilatus den Drachen, die Saligen oder die Erdmannli, das kleine grosse Volk anrufen… Sie haben mit den Menschengöttern, also den Asen weder Krieg noch näheren Kontakt. Im Prinzip leben sie bis auf den heutigen Tag in Frieden für sich allein.
Riesen
Eis- Feuer- und Steinriesen sind bei den Germanen die Übrigbleibsel der alten Elementargötter vor denen sich unsere Vorfahren zu recht täglich fürchten mussten. Der Unterschied zwischen Kelten und Germanen war, dass erstere die Naturgewalten durch genaue Beobachtung und Opfer gnädig zu stimmen gedachten, und zweitere sich als im Kampf mit den Naturgewalten betrachteten. Aber auch die Germanen ehrten die alten Elementarkräfte an heiligen Steinen, Quellen, Bergspitzen und zum Teil auf Gletschern.
Himmelsgötter
Es gibt wohl keine menschliche Kultur, in der Sonne und Mond, Tag und Nacht keine Rolle spielten. Es ist ja auch etwas anstrengend sie einfach zu ignorieren, so wie das unsere religionslosen Konsumlemminge heutzutage tun. Das gibt im jahrezeitlichen Wechsel nur Sonnenbrand und Vitamin E-Mangel. Aber lassen wir das: Bei den Kelten war Belenos zweifelsohne einer der wichtigsten und stammesübergreifend bekanntesten Götter. Eine Sonnenfinsternis deswegen ein äusserst furchterregendes Phänomen. Der Himmel selbst drohte dann einzustürzen! Ohne die liebende, wärmende Kraft eines Zentralgestirns kann auf keinem Planeten Leben gedeihen. Sol, Sunna oder die goldene Sonne: Sie, oder besser Er ist der ultimative Lebensenergiespender auf dieser Erde. Ihren Gang und somit die Jahreszeiten und das Klima zu beobachten und vorherzusagen, war eine der verantwortungsvollsten Aufgaben der Druiden.
Der, oder besser die Mond ist demgegenüber der mächtige Hüter des Mysteriums von ständigen, harmonischen, zyklischen Vergehen und Werden, Ebbe und Flut, ja der Fruchtbarkeitszyklen selbst.
All die weisen Frauen, welche um seine Wirkung wussten, konnten nicht nur die Fruchtbarkeit der Frauen und des Landes sondern auch das Wetter selbst recht zuverlässig vorhersagen. Die weisen Frauen Skandinaviens und Germaniens übrigens führten ihr Wissen auf die bei dieser Gelegenheit weise lächelnde Frigg zurück.
Das höchste Prinzip der Liebe: Baldur
Der letzte Satz Odins in seines toten Sohnes Ohr? „Du wirst wiederkehren!“ – Und er ist wieder gekehrt! Jeder und Jede die ihn verehren möchte, kann dies heutzutage frei tun. Es ist müssig zu spekulieren in welcher Form denn der Friedefürst wieder gekehrt ist. Das Prinzip der Liebe ist es, welches den Gegensatz zwischen Asen, Wanen, Riesen, ja sogar den verschiedenen Weltanschauungen und Religionen überbrückt. Ist sie dem Frieden und der Harmonie zwischen allen Dingen geweiht, ist es auch nicht mehr wichtig, nach welcher „Geschmacksrichtung“ von Religion oder Philosophie man sein Leben orientiert. Ob als Anhänger des germanischen, des alten oder eines anderen Weges. Frigg würde mir hoffentlich zustimmen.